Begrünung

Gezieltes Management von Grünbereichen in der Stadt hat viele wichtige Funktionen:

  • Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Wärmeinseln, Niederschlagsversickerung…),
  • Positive Beeinflussung der CO2-Bilanz (Bäume binden CO2 bzw. spalten es in der Photosynthese auf)
  • Isolierung von Gebäuden durch Begrünung von Fassaden und Dächern kann den Energiebedarf und damit CO2-Ausstoß mindern.

Urbanes Grün spielt darüber hinaus eine große Rolle für die nachhaltige Stadt, in der Menschen sich langfristig wohlfühlen und viele Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen. Gerade in den heute stark verdichteten Innenstädten gilt es nicht nur Gebäude zu entwickeln, sondern parallel dazu entsprechende Grünflächen für Erholung, Gesundheitsförderung, sozialen Austausch, Klimaschutz und Klimaanpassung (doppelte Innenentwicklung).

Auswirkungen des Masterplans Stadtnatur des Bundes:

Der Bund erarbeitet aktuell einen Masterplan Stadtnatur (Entwurf Stand Januar 2019), um die Entwicklung städtischen Grüns zu stärken.

  • Mangelnde Grünausstattung einer Stadt und mangelnde Erreichbarkeit von öffentlichem Grün werden zukünftig als städtebaulicher Missstand bewertet werden, dem in der Bauleitplanung Rechnung getragen werden muss.
  • Die urbane grüne Infrastruktur soll bei der energetischen Stadtsanierung in die Quartiersentwicklung einbezogen werden.
  • Dach- und Fassadenbegrünung sind stärker beim CO2-Gebäudesanierungsprogramm des Bundes zu berücksichtigen.
  • Darüber hinaus sollen Orientierungswerte bezüglich erforderlicher Grünflächengrößen, Versorgung pro Einwohner und Erreichbarkeit festgelegt werden.

Und mit der Erarbeitung von Gestaltungskonzepten soll den Kommunen aufgezeigt werden, welche Art Grünanlagen mit weniger Pflegeaufwand auskommen.

Und in Gießen?

Über lange Jahre gab es eher den Verlust von Stadtgrün zu beklagen, gerade im Zusammenhang mit den zahlreichen Neubaugebieten in der Stadt. Zum Erhalt festgesetzte Bäume wurden gefällt, Freiflächen und Kleinbiotope aufgegeben.

Neu gestaltete Innenstadt-Flächen wie der Kirchenplatz oder der Johanette-Lein-Platz müssen mit wenigen Einzelbäumen auskommen (Foto 1) und unterstützen damit eher die Bildung von städtischen Wärmeinseln. Der Missstand wurde inzwischen erkannt, denn die Gießener Planungshinweiskarte der Klimafunktionskarte fordert zum Johanette-Lein-Platz und seiner unmittelbaren Umgebung eine „Verbesserung der Durchlüftung und Erhöhung des Vegetationsanteils, … Entsiegelung und ggf. Begrünung von Blockinnenhöfen“. Mögen Taten folgen…

Diesem Planungsbeispiel aus der Vergangenheit steht aktuell die Planung für das Motorpool-Gelände gegenüber, das laut Klimaschutzkurzkonzept der Stadt Gießen „modellhaft klimaneutral entwickelt“ werden soll (Maßnahme 11). Offenbar bezieht sich dies aber vorwiegend auf das Energiekonzept (dessen Innovationpotenzial und Bedeutung hier gar nicht klein geredet werden soll) und weniger auf die Ausstattung mit Grünflächen oder Fassadenbegrünung.

Der Umweltbericht zum Bebauungsplanentwurf kritisiert die Umgestaltung dieser Fläche mit hoher bioklimatischer Bedeutung und hoher Kaltluftproduktivität: „Es besteht die Gefahr, dass durch die vorgesehene dichte Bebauung ein Siedlungsbereich mit hoher humanbioklimatischer Belastung neu geschaffen wird“ (S.15). Weiter wird festgestellt: „Der aus stadtklimatischer Sicht zu geringe Anteil öffentlichen Grüns und die zu geringe Breite des Grünzugs müssen durch eine intensive Baumbepflanzung kompensiert werden. Die fehlenden öffentlichen Straßenbäume sollen durch private Anpflanzgebote entlang der Straßen ausgeglichen werden.“

In Gießen gilt es bezüglich Grünflächen und deren Vernetzung also noch einiges zu entwickeln. Sonst könnte es beim Motorpool-Gelände ähnlich ausgehen wie mit dem geplanten öffentlich zugänglichen Quartierspark an der Bergkaserne, von dem nur ein winziger Grünstreifen quasi als Karikatur der eigentlichen Planungen übrig geblieben ist (s. Foto – ja, der breite gepflasterte Weg und das kleine Grünstück links davon sind die öffentlich zugängliche Rest-Fläche, wo einst ein großer öffentlicher Park mit den alten Kastanien als Zentrum des ganzen Quartiers geplant war).

Konkrete Gießener Ansätze

Auch in Gießen gibt es viele Ansätze zur Verbesserung v. a. der innerstädtischen Situation durch Begrünung. Bezüglich der Umsetzungsinstrumente dieser Ansätze sollte die Stadt prüfen, was über Satzungen (inkl. Bebauungspläne), über Wettbewerbe oder Förderstrukturen erreicht werden kann.

  • Im Gießener Entwicklungskonzept zum Bundesprogramm „Zukunft Stadtgrün“, über das die Stadt Gießen hohe Fördersummen erhält, sind etliche Maßnahmenfelder für die Aufwertung des städtischen Grüns genannt, wobei die Neuschaffung von Grünflächen eher eine kleinere Rolle mit nachrangiger Priorität spielt. Hier ist im Sinne der urbanen grünen Infrastruktur mit ihren positiven Auswirkungen auf das Klima in Gießen noch deutlich „Luft nach oben“.
  • Die Möglichkeit der Neuschaffung von Grünelementen und Grünflächen in der Innenstadt sollte intensiv untersucht werden. Es gibt dort etliche Flächen, teils auch in privater Hand, die als flächige Parkplätze genutzt werden, sich aber hervorragend für innerstädtische Kleinparks eignen würden. Dass die Menschen in Gießen diesen Bedarf haben, zeigte sich in den vergangenen Jahren bei der Spontan-Nutzung des noch immer brach liegenden Samen-Hahn-Grundstücks. Für den Parkverkehr sollten dann nur noch die zahlreich vorhandenen Parkhäuser (vielleicht mit Dauerparkplätzen für Anwohner?) sowie einige Kurzzeitparkplätze in der Nähe von Geschäften mit Abholverkehrsbedarf genutzt werden.
  • Die Parkhäuser Gießens (Westanlage, Karstadt, Roonstraße, RKH-Gelände…) wiederum sollten grundsätzlich mit Fassadenbegrünung versehen werden, was nicht nur gut für das Klima ist, sondern auch das Stadtbild Gießens äußerst positiv verändern würde. Dass eine riesige Wandfläche wie die am Schlachthof-Parkhaus nicht zur Begrünung vorgesehen wird, ist absolut unverständlich. Schließlich gibt es inzwischen neben der klassischen bodengebundenen Fassadenbegrünung auch viele Möglichkeiten, Wandsysteme mit Bepflanzung an solchen Flächen zu installieren. Das dort angebrachte Wandgemälde leistet keinerlei Beitrag zum Klimaschutz und wird ohnehin in einigen Jahren verschmutzt sein.